2.3. Die bedeutendsten Theorien zur Kapitalstruktur
Auf die einflussreichsten Theorien der Kapitalstruktur wird
nachfolgend speziell eingegangen.
5 Harris und Raviv (1 991)
6 Myers (1984)
2.3.1. Pecking Order« Theorie 7
Die Pecking Order« Theorie konzentriert sich auf die
Informationsasymmetrie die zwischen dem Management und den Investoren herrscht.
Manager wissen selbstverständlich mehr als Investoren über dem
tatsächlichen Befinden des Unternehmens. Das führt dazu, dass Manager
bei der Beschaffung von zusätzlichen Mitteln als Insider handeln. Die
Annahmen begründen darauf, dass das Management im Interesse des
Unternehmens und der Altaktionäre die Finanzierungsform wählt.
Die Informationsasymmetrie beeinflusst die Wahl zwischen
interner und externer Finanzierung. Die Präferenz (Hackordnung) der
gewählten Finanzierungsart leitet sich ebenfalls aus der Grösse und
Profitabilität einer Gesellschaft ab. Die Pecking Order« Theorie
ordnet die Finanzierungsarten wie folgt:
1. Interne Mittel aus operativer Tätigkeit
2. Anpassung der Dividenden-Payout-Ratio um
Investitionsopportunitäten auszunutzen
3. Verkauf von leicht veräusserbaren Assets«
4. Aufnahme von Fremdkapital, zuerst klassische
Darlehen/Obligationen, dann Hybride Bonds und als allerletztes Eigenkapital.
In erster Linie finanzieren sich Unternehmen aus dem
operativen Cash Flow und falls weiteres Kapital nötig ist, wird
Fremdkapital dem Eigenkapital bevorzugt. Die Emission neuer Aktien wird als
letzte Möglichkeit betrachtet und nur im Fall, wo die
Verschuldungskapazität ausgeschöpft ist, angewendet. Eine
Eigenkapitalaufnahme sendet negative Signale an die Investoren. Der
gewählte Zeitpunkt für die Ausgabe neuer Aktien wird von
Neuaktionären als Phase einer Unternehmensüberbewertung
interpretiert. Auf der anderen Seite ist die Beschaffung von Eigenkapital, bei
einer gemäss Management unterbewerteten Gesellschaft, finanziell n icht
interessant. Die I nformationsasymmetrie begünstigt also die
Fremdkapitalaufnahme vor der Emission von Aktienkapital. Denn sowohl Managers
wie auch Investoren handeln rational und Versuchen die Gedanken und Folgen der
anderen Partei zu antizipieren.
In der erwähnten Theorie gibt es nicht einen klar
definierten Kapitalmix. Die Vorteile von Fremdkapital (Tax Shield«) sind
sekundär. Vielmehr erklärt die Pecking Order« Theorie die
Beziehung zwischen Profitabilität und finanziellen Defizite der einzelnen
Unternehmen und stellt die Informationskosten in den Mittelpunkt.
7 vgl. Brealey R. & Myers (2000)
2.3.2. Trade-off« Theorie 8
Die Trade-off« Theorie beschreibt das Abwägen bei
Finanzierungsentscheidungen zwischen den Vor- und Nachteilen des Fremdkapitals
gegenüber dem Eigenkapital. Die optimale Kapitalstruktur ist dort
erreicht, wo der Steuervorteil einer Fremdfinanzierung gerade dem aufgrund der
Fremdkapitalerhöhung daraus erwachsenden Nachteil eines erhöhten
Insolvenzrisikos entspricht. Die Kosten-Nutzen-Abwägung einer Unternehmung
bei der Festlegung der Verschuldungsstrategie bildet die Basis dieses Modells.
Während der Nutzen einer Fremdkapitalaufnahme einfach nachweisbar ist,
Zinsen sind bei den zu versteuernden Unternehmensgewinnen absetzbar, ist das
Quantifizieren eines möglichen Konkurses schwieriger. Der Zusammenhang,
dass mit einer höheren Verschuldung die Insolvenzkosten steigen, kann zwar
aufgrund empirischer Studien erklärt werden, jedoch muss man sich bei der
Bestimmung der optimalen Kapitalstruktur der Wahrscheinlichkeit des
Wertverlustes im Falle der Insolvenz bedienen. Dabei wird zwischen direkten und
indirekten Kosten unterschieden. Die direkten Kosten sind beispielsweise
Prozesskosten die im Falle einer Liquidation anfallen, während indirekten
Kosten aufgrund Nachverhandlungen von Liefer- und Kreditverträgen oder
Reputationsverluste bei verschiedenen Interessensgruppen entstehen.
Die Ableitung der optimalen Kapitalstruktur ist eine simple
Funktion aus dem Trade-off« der aus der Fremdkapitalaufnahme
resultierenden Steuervorteils und der Kosten eines möglichen Konkurses,
jedoch erweist sich die Erhebung der dafür benötigten Daten alles
andere als einfach.
2.3.3. Opportu nitätenfenster-Theorie (Wi
ndows-of-Opportu nity«) 9
Die konventionellen Theorien zur Bestimmung der optimalen
Kapitalstruktur basieren auf Annahmen, die in der Realität nicht immer
gegeben sind. Die statische Betrachtungsweise bezüglich der
Kapitalstruktur eines Unternehmens ist die Hauptschwäche der klassischen
Modelle. Die neueren, dynamischen Theorien wie die
Opportunitätsfenster-Theorie berücksichtigen die
Veränderlichkeit der Kapitalstruktur über die Zeit und dass die
Märkte nicht vollkommen sind. Zeitliche Aspekte spielen eine entscheidende
Rolle an den Eigen- und Fremdkapitalmärkten, denn die Bedingungen
können an den Kapitalmärkten bei der Kapitalaufnahme variieren.
Aufgrund empirischer Untersuchungen kann belegt werden, dass
Kapitalmarktkonditionen bei der Analyse einer allfälligen Eigen- oder
Fremdkapitalemission in Abhängigkeit der zugrunde liegenden
Börsenbewertungen und makroökonomischen Bedingungen, insbesondere des
Zinsniveaus, im
8 vgl. Brigham E. F. & Houston ( 2007)
9 vgl. Herrmanns Julia ( 2006)
Mittelpunkt stehen. Dabei versucht das Management zeitweise
auftretende vorteilhafte Kapitalmarkt- und Bewertungsphasen aufgrund des
Informationsvorsprungs über den tatsächlichen Unternehmenswert,
gegenüber Investoren auszunutzen. Im Wesentlichen wird in
Niedrigzinsphasen vorrangig Fremdkapital aufgenommen und in Phasen hoher
Kurswertschätzungen werden vorrangig Eigenkapitaltitel emittiert. Das
Ausnutzen besonderer Zeitfenster wird bei der Ermittlung der langfristigen
Performance eine hohe Bedeutung zugemessen. Eine Vielzahl von Studien haben
gezeigt, dass bei börsennotierten Unternehmen in einer Boomphase
durchgeführte Transaktionen die Renditeentwicklung im Vergleich
unterdurchschnittlich ausfiel. Die "Gelegenheitsfenster"-Theorie erklärt
das Phänomen der asymmetrisch verteilten Informationen zwischen Investoren
und dem Unternehmen. Dass zum Teil irrationale Erwartungen der Marktteilnehmer
zu einer Überbewertung führen können, was vom Management zum
eigenen Vorteil genutzt wird, begründen Abweichungen der
Zielkapitalstruktur. Das Klima an den Kapitalmärkten kann folglich die
"Finanzierungsbedürfnisse" eines Unternehmens wesentlich bestimmen.
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