5. Konklusion
Aus der Unternehmensbefragung von mittelständischen
Schweizer Unternehmen können verschiedene wichtige Schlussfolgerungen
gezogen werden. Es kann kein theoretischer Ansatz eindeutig belegt werden,
jedoch wurden für unterschiedliche Erklärungsmodelle Indikatoren
vorgefunden.
Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen betrachten
die Rolle der Kapitalstruktur als eher unwichtig. Diese Aussage ist insofern
erstaunlich, als das Thema Kapitalstruktur eines der am ausführlichsten
untersuchten Themengebiete der Corporate Finance« darstellt. In
zahlreichen wissenschaftlichen Studien wurden Untersuchungen von
börsenkotierten Unternehmen vorgenommen, in welchen verschiedene
Einflussfaktoren der Kapitalstruktur sowie deren Auswirkungen auf den
Unternehmenswert untersucht wurden. Diese Studie liefert deutliche Hinweise,
dass für einen Grossteil der nicht-kotierten kleineren und mittleren
Unternehmen (KMU) der Kapitalstruktur nicht dieselbe Bedeutung zukommt. Dies
ist verständlich, da bei nicht-kotierten Unternehmen, die Auswirkungen der
Finanzierungsentscheide auf den Unternehmenswert nur schwierig nachgewiesen
werden können. Zudem verfügen KMU über deutlich weniger
Ressourcen im Bereich des Finanzwesens, welches oftmals nur auf rechtliche
Anforderungen ausgerichtet ist.
Trotzdem - wie in vergleichbaren Studien von kotierten
Unternehmen - kommt der Wahrung der finanziellen Flexibilität die
höchste Priorität bei der Festlegung der Kapitalstruktur von KMU zu.
Dies entspricht auch den grundsätzlichen Anforderungen von KMU, welche
sich durch Flexibilität, Innovation und Agilität auf den
Weltmärkten auszeichnen. Es stehen weniger wertsteigernde
Überlegungen im Vordergrund. Vielmehr wird die Kapitalstruktur von
geldnahen Einflussfaktoren beeinflusst, wie die Auswirkungen auf das
Kreditrating und als Folge daraus auf den zu entrichtenden
Fremdkapitalzinssatz, auf subjektive Einschätzungen, wie die Auswirkungen
auf Vertrauensbeziehungen zu Anspruchsgruppen (Kunden und Lieferanten) sowie
auf Sicherheitsansprüche, welche das Überleben der Unternehmung
langfristig sicherstellen sollen.
Die Studie konnte weiter aufzeigen, dass KMU Fremdkapital
gegenüber eher abgeneigt sind. Dieses stellt eine zusätzliche
Verpflichtung dar, welche in den Augen der KMU als Einschränkung der
unternehmerischen Freiheiten aufgefasst wird. Fremdkapital steht sozusagen im
Widerspruch zu den oben aufgeführten Ansprüchen wie
Flexibilität, Vertrauen und Sicherheit. Die Fremdverschuldung wird
grundsätzlich gemieden und als fast notwendiges Übel angesehen, wenn
die Finanzierungsmöglichkeiten aus eigenen Mitteln nicht ausreichen um
anstehende Investitionen zu tätigen. In der Wahrnehmung von
zahlreichen KMU scheint Fremdkapital tatsächlich teurer
zu sein als Eigenkapital, da dem Fremdkapitalzinssatz weitere schwer
quantifizierbare Kosten für weniger Flexibilität, Vertrauen und
Sicherheit angerech net werden.
Eine weitere interessante Erkenntnis zeigte sich
bezüglich dem Verschuldungsgrad der Unternehmen nach relativer Wichtigkeit
der Kapitalstruktur. Mit zunehmendem Verschuldungsgrad wird die Rolle der
Kapitalstruktur wichtiger, die Wichtigkeit nimmt jedoch interessanterweise bei
hohen Verschuldungsgraden wieder ab. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass
der Grenznutzen von Fremdkapital bei den meisten Unternehmen mit einem
Verschuldungsanteil von 40% bis 60% am höchsten ist und bei höheren,
resp. tieferen Anteilen wieder abnimmt.
Bei Betrachtung der Rolle der Kapitalstruktur nach
Branchenzugehörigkeit können deutliche Unterschiede nachgewiesen
werden. Die Dienstleistungsunternehmen stufen die Rolle der Kapitalstruktur
deutlich am wichtigsten ein. Dies könnte damit begründet werden, dass
Führungs- und Fachkräfte oftmals eine betriebswirtschaftliche
Ausbildung geniessen konnten, in welcher sie auf die Rolle der Kapitalstruktur
sensibilisiert wurden.
Weiter bestätigte sich, dass Unternehmen mit
hoher Profitabilität, überdurchschnittlichem Wachstum, hohem
Wachstumspotential, gut prognostizierbaren Umsätzen und Kosten sowie
kapitalintensiven Sachanlagen die Rolle der Kapitalstruktur als
überdurchschnittlich wichtig einschätzen. Diese Feststellung deckt
sich mit vergangenen Studien.33
Wie eingangs erwähnt lässt sich zwar eine
einheitliche Methode zur Bestimmung der Kapitalstruktur nicht feststellen,
jedoch deuten einige Aussagen der Befragten Unternehmen darauf hin, dass
ansatzweise Ideen der Pecking Order« Theorie angewendet werden. Da sich
die Befragung an mittelständische, nicht börsenkotierten Unternehmen
richtet, fällt die in der Pecking Order« Theorie hervorgehobene
Informationsasymmetrie zwischen Investoren/Management und Signalwirkung bei
Aufnahme von Eigenkapital kaum ins Gewicht. Fremdkapital wird teurer als
Eigenkapital eingestuft und deshalb wohl als externe Finanzierungsquelle
weniger bevorzugt, sollten die selbst erwirtschafteten Mittel nicht
ausreichen.
33 Vgl. Titman und Wessels (1988)
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