2. Theoretischer Überblick 2.1. Definitionen
Das Thema der Kapitalstruktur von Unternehmen beschäftigt
nebst dem Management von Unternehmen auch die Wirtschaftswissenschaft schon
seit geraumer Zeit. Die Frage, ob und wie sich Finanzierungsentscheidungen
eines Unternehmens auf dessen Unternehmenswert auswirken, ist mittlerweile seit
mehr als 50 Jahren Gegenstand der wissenschaftlichen Debatte. Bis heute bleibt
die Diskussion kontrovers. Auch empirische Untersuchungen konnten noch keinem
bestimmten theoretischen Modell zum Durchbruch verhelfen.
Unter optimaler Kapitalstruktur verstehen wir das
Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital, bei welchem - unter
Berücksichtigung von Einflussfaktoren wie Selbständigkeit, Sicherheit
und Flexibilität - die Kapitalkosten minimiert und somit der
Unternehmenswert maximiert werden.
2.2. Theoretische Ansätze der Kapitalstruktur
Seit den 1950er Jahren sind zahlreiche Publikationen zum Thema
Kapitalstruktur verfasst und publiziert worden. Die Moderne
Kapitalstrukturtheorie nahm ihren Anfang mit der grundlegenden Publikation von
Modigliani und Miller aus dem Jahre 1958. Die Autoren zeigten, dass in einer
reibungslosen Welt ohne Steuern, die Kapitalstruktur von Unternehmen den
Unternehmenswert nicht beeinflusst.2 Obwohl die Annahme einer
steuerfreien Welt nicht der Realität entspricht, diente das von den
Autoren entwickelte Modell als Ausgangspunkt für hunderte von
späteren Untersuchungen. Sobald aber Steuern im Modell mit einbezogen
werden, stehen der Unternehmenswert und die Kapitalstruktur in einer positiven
Beziehung.3 Mit den Jahren entstanden unterschiedliche theoretische
Ansätze, welche die Finanzierungsentscheidungen und somit die
Kapitalstruktur von Unternehmen zu erklären versuchten. Harris und Raviv
liefern in ihrer Publikation aus dem Jahre 1991 eine ausgezeichnete
Aufarbeitung der wissenschaftlichen Literatur über die Entstehung und
Entwicklung verschiedener Theorien der Kapitalstruktur.4
2 vgl. Modigliani und Miller (1958)
3 vgl. Modigliani und Miller (1961)
4 vgl. Harris und Raviv (1991)
Gemäss den Autoren lassen sich vier Hauptströme von
theoretischen Ansätzen bilden, welche die Bestimmungsfaktoren von
Finanzierungsentscheidungen in Unternehmen zu erklären
versuchen:5
1. Ein Theoriestamm versucht die Finanzierungsentscheidungen
mit der Agenturkosten-Argumentation (models based on agency costs«) zu
erklären. Dieser basiert auf der Annahme, dass die Kapitalstruktur durch
Kosten, die aus Interessenkonflikten zwischen Eigentümer und Management
oder Eigentümer und Fremdkapitalgeber entstehen, beeinflusst wird.
2. Ein zweiter Ansatz basiert auf der Annahme, dass zwischen
Insidern und Outsidern eine Informationsasymmetrie besteht (asymmetric
information«), welche die Kapitalstruktur der Unternehmen bestimmt. Zu
diesem Ansatz gehört die bekannte Pecking Order« Theorie (siehe
unten).6
3. Auf Produkt/Input Marktinteraktionen basierende Modelle
(models based on product/input market interactions«) untersuchen die
Verbindung zwischen der Kapitalstruktur von Unternehmen und entweder
Unternehmensstrategien oder Produktcharakteristiken und Eingängen
(inputs).
4. Auf Unternehmenskontrolle basierende Modelle (theories
driven by corporate control considerations«) sind als Folge steigender
Übernahmeaktivitäten während den 1980er Jahren entstanden. Diese
Modelle untersuchen die Verbindung zwischen Kapitalstruktur und der
Ausübung unternehmerischer Kontrolle mit dem Hintergedanken, dass
Eigenkapital im Gegensatz zu Fremdkapital mit Stimmrechten bestückt
ist.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die meisten von den
zahlreichen Autoren untersuchten Theorien zur Kapitalstruktur von
komplementärer Natur sind. Durch empirische Untersuchungen konnte keine
einzelne Theorie weder vollends bestätigt noch widerlegt werden. Obwohl in
den untersuchten Publikationen zahlreiche Einflussfaktoren auf die
Kapitalstruktur untersucht werden, gilt nur eine verhältnismässig
kleine Anzahl von Faktoren als evident.
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